Braut auf der Flucht...
- Sonja Wüthrich
- 16. Juni 2017
- 2 Min. Lesezeit

Unter Schmerzen schleppte sich Giada in ihr Zimmer im Hotel Nettuno zurück. Zum Glück hatte
sie einen Kühlbeutel im Kühlschrank. Ihr Knöchel war bereits um das Doppelte seiner normalen Grösse angeschwollen und verfärbte sich schon leicht bläulich. Sie hinkte zu einem der beiden Sofas. Ihr Hotelzimmer war eher eine Suite und hatte eine kleine Kochgelegenheit und einen riesigen Kühlschrank. Außerdem gab es sogar ein separates Schlafzimmer. Eigentlich war es wohl eher ein Apartment für Geschäftsleute, aber es war spottbillig zu haben gewesen. Vielleicht weil es sich in einer unscheinbaren Nebenstraße zur Meerespromenade befand und die Lage nicht so optimal war wie die gewisser anderer Hotels. Giada war die Lage egal, Hauptsache der Preis stimmte, und in diesem Falle war das Hotel auch noch unauffällig und trotzdem ziemlich luxuriös. Sie stöhnte auf, verdammt, der Knöchel schmerzte höllisch. Sie legte den Kältebeutel auf ihren Knöchel. Das fehlte ihr gerade noch. Sie konnte unmöglich einen Arzt aufsuchen, er würde womöglich Fragen stellen, die sie nicht beantworten wollte, oder nach einem Ausweis fragen, den sie nicht vorweisen konnte. Hoffentlich war nichts gebrochen. Sie hätte sich ohrfeigen können, denn sie war wie ein aufgescheuchtes Huhn aus dem Café geflohen, nachdem Keanu sie ansprach, und war danach so in Gedanken gewesen, dass sie diesem Kerl vor den Wagen gelaufen war. Dann ein weiterer Schock, als sie diesen Typen angesehen hatte. Er war ihr extrem bekannt vorgekommen. Sie wusste zwar nicht genau woher, aber in ihrer Situation war jedes nur ansatzweise bekannte Gesicht eine potentielle Gefahr. Sie legte sich hin und schaltete den Fernseher an. Dann schloss sie die Augen, die Hintergrundgeräusche des Fernsehers hatten eine beruhigende Wirkung auf sie. Sie würde versuchen ein paar Stunden zu schlafen und hoffte, dass es ihr danach wieder besserging. Morgen würde sie weitersehen, entweder sie suchte sich einen Job und hielt sich im Hintergrund, oder sie versuchte, die Insel zu verlassen. Sie hatte sich noch nicht entschieden. Sie war schon beinahe eingeschlafen, als sie in den Nachrichten etwas von zwei Anwälten hörte, die in Palermo erschossen worden waren. Als sie die Namen der beiden hörte, setzte sie sich erschrocken auf. Was sie gleich wieder bereute. Ihre Schläfe hämmerte wie ein Vorschlaghammer, vielleicht hatte sie sich bei dem Sturz auch noch den Kopf irgendwo angeschlagen. Sie erinnerte sich nicht genau. So ein Mist. Der Schmerz ebbte ab und sie konzentrierte sich wieder auf die Nachrichten. Sie kannte die beiden Erschossenen. Es waren zwei von Daddys Anwälten. Sah so aus, als ob ihr Zukünftiger einen Tobsuchtsanfall erlitt, nachdem er herausfand, dass seine Braut abgehauen war. Also nach Sizilien konnte sie mit Sicherheit nicht zurückkehren. Diese Wiese war sowas von abgegrast, bis zu den Wurzeln. Da gab es ernsthaft kein Zurück mehr. Erschöpft schloss Giada die Augen. Sie brauchte nun erst einmal Schlaf und morgen würde sie dann eine Entscheidung treffen müssen, wie ihr Leben weitergehen sollte.
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