Cheveyo's Welt
- Sonja Wüthrich
- 21. Apr. 2017
- 3 Min. Lesezeit

Cheveyo begrüsste die vier Männer freundlich. Nicht der leiseste Anflug von Feindseligkeit war ihm anzumerken, obwohl er sie innerlich zum Teufel wünschte.
Er führte sie über den steinigen Weg zum Reservat. Es waren etwa 2o Minuten Fussmarsch und die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel. Nach kurzer Zeit begannen Riccardo und Umberto bereits über die Hitze zu maulen. Milos und Gabe hingegen schritten energisch voran, jeder von ihnen hing seinen eigenen Gedanken nach. Während Gabe über die Macht nachdachte, die er in kürzester Zeit wieder zurückhaben würde und die diesmal wahrscheinlich noch stärker sein würde als vor Gregorys unglückseligem Eingreifen, gingen Milos‘ Gedanken in eine ganz andere Richtung.
Seit er sich mit seinem Vater überwarf, hatte sein Leben eine andere Bahn eingeschlagen und er war sich nicht wirklich sicher, dass das, was er vorhatte, das Richtige war. Sein Vater hatte ihn dermassen wütend gemacht, da er bereit war, blindlings ihrem sogenannten Retter zu folgen, der in seinen Augen nichts als ein lebensuntauglicher Schwächling war, der ohne sein Eingreifen bereits in die ewigen Jagdgründe eingegangen wäre, wie die Indianer so schön zu sagen pflegten. Beinahe hätte er laut aufgelacht, was wahrscheinlich etwas seltsam rübergekommen wäre. Denn der Pfad war anstrengend und führte bergaufwärts, zudem war es verdammt heiss und der Schweiss strömte aus seinen Poren, lief ihm über die Stirn und brannte höllisch in seinen Augen. Also alles in allem gab es wohl gerade nichts zu lachen. Trotzdem war die Ironie der Situation schon interessant. Er hätte den Knaben einfach von den Klippen springen lassen sollen. Gott, war er blöd gewesen, er hätte ihn in seiner Depression springen lassen sollen, dann hätte er sich mit seinem Vater nicht gestritten und wäre sicherlich auch nicht auf dieser total verblödeten Mission.
Aber – wie sagte man so schön – man sollte die Vergangenheit ruhen lassen und im Hier und Jetzt leben. Das würde er auch tun, die Vultures und auch die Milans, die er noch nie ausstehen konnte – da dieses eingebildete Pack ihn nicht akzeptierte, weil seine Mutter eine Griechin war – würden ihre Kräfte zurückerlangen. Ja, sogar er selbst würde Kräfte haben und plante als allerersten Akt seines Wasser beherrschenden Daseins, die verfluchte Hütte seines Alten im Meer zu versenken. Der konnte dann ja getrost zu einem seiner Lieblinge ziehen, zu Gregory oder zum tollen Keanu. Ersteres war wohl eher unwahrscheinlich, denn der eingebildete Kerl, der neben ihm herging mit dem überheblichen Lächeln im Gesicht, würde kaum zulassen, dass Gregory überlebte. Also würde er zu Keanu ziehen. Zu dem riesigen Muskelprotz, der zum Eigensinn neigte, aber loyal zum Retter hielt. Tja, man würde sehen, und es war nicht sein Problem, er kam alleine zurecht. Er wollte es seinem Vater zeigen, soviel war klar. Er würde sich noch wünschen, ihn nicht so gleichgültig und zweitrangig behandelt zu haben. Schliesslich war er sein Sohn, nicht Gregory oder Keanu. Dass er sich Matteo und damit den Vultures anschloss, war einzig und alleine die Schuld seines Vaters. Er hatte sein eigenes Fleisch und Blut verraten und würde dafür büssen. Milos hoffte, dass er mitsamt seinem Haus in Mellieha im Meer versank und verreckte. Seit er sich von seinem Vater vernachlässigt fühlte und neidisch war auf die Zuwendung, die dieser Gregory und Keanu entgegenbrachte, ging er dem Volksport Nummer eins nach. Dabei handelte es sich nicht etwa – wie man fälschlicherweise annehmen könnte – um Fussball oder eine sonstige typische Männersportart. Nein, er verurteilte alle und jeden und suchte einen Schuldigen für seine eigene Unfähigkeit, seinem Vater bedingungslose Liebe entgegenzubringen. Eigentlich verurteilte er sich sogar selber dafür, dass er etwas tat, von dem er ganz genau wusste, dass es falsch war. Aber im Krieg und in der Liebe war alles erlaubt – so sagte man wenigstens – und es herrschte Krieg zwischen ihm und seinem Vater, darüber gab es keine Zweifel. Milos und Gabe wurden durch Cheveyos Stimme in die Realität zurückgeholt.
„Wir sind im Dorf angekommen, die Stammesältesten erwarten euch.“ Er ging auf ein Blockhaus zu, vor welchem drei weisse Zelte zu einem Kreis aufgestellt waren.
In der Mitte sassen drei Gestalten mit verschränkten Beinen um ein Feuer herum.
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